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Im Interview mit Stephan Lutz, CEO von BitMEX

BitMEX ist eine der größten und ältesten Kryptobörsen der Welt. Wir haben uns mit CEO Stephan Lutz zusammengesetzt und über die Geschichte sowie Zukunft der Börse gesprochen.

Back to the Roots mit BitMEX

Bei BitMEX handelt es sich nicht nur um eine der größten, sondern auch um eine der ältesten Kryptobörsen der Welt.

Mit dem Launch seiner Prediction Markets stellte das Unternehmen zuletzt ein innovatives neues Feature vor, mit dem es sein Produktangebot erweitern möchte.

Den Launch haben wir uns zum Anlass genommen, um uns mit Stephan Lutz, dem CEO von BitMEX zusammenzusetzen, um über die Geschichte sowie die Zukunft der Börse zu sprechen.

Interview

Hintergründe zu Stephan und BitMEX

Bevor wir uns genauer mit BitMEX beschäftigen, wäre es interessant, mehr über deinen beruflichen Werdegang zu erfahren und zu verstehen, was dich letztendlich zu BitMEX geführt hat.

Mein Herz hing schon immer am Handel und an den Märkten. Dabei führte mich meine Karriere vom Handelstisch einer Bank hin zur Deutschen Börse und schließlich zu PwC, wo ich als Leiter des Kapitalmarktsektors u.a. große Investmentbanken zu den Themen Handel, Abwicklung und Regulatorik beraten durfte.

Mein Einstieg in die Kryptowelt begann im Jahr 2012. Allerdings nicht etwa über Bitcoin, sondern über Blockchain, genauer gesagt Distributed Ledger Technology. Dabei hat mich vor allem ihr Einfluss auf die Wertpapierabwicklung interessiert.

Witzigerweise war BitMEX damals vor allem mein TradFi-Hintergrund wichtig, als sie mir die Stelle des CFO anboten. Von meinem langjährigen Interesse an Krypto wussten sie noch nichts.

Umso mehr hat es mich dann gefreut, mein Hobby in den Beruf einweben zu können.

Für alle, die nicht wissen, wer BitMEX ist: Was macht ihr?

BitMEX ist eine der größten und ältesten Börsen für den Handel von Krypto-Derivaten. Dabei fokussieren wir uns stark auf die Bedürfnisse von institutionellen und professionellen Tradern und vor allem auf den Handel der sogenannten Perpetual Swaps, die BitMEX im Jahr 2016 erfunden und eingeführt hat.

Derivate 101

Könntest du bitte kurz erklären, was Derivate sind?

Ein Derivat ist ein Finanzprodukt, dessen Wert sich von einem anderen Produkt ableitet, wobei sie die Form von Optionen, Futures-Kontrakten oder Perpetual Swaps annehmen können.

Am Beispiel einer Siemens-Aktie wäre ein Derivat bspw. ein “Kaufvertrag” der Aktie. Er erlaubt es, auf die Kursentwicklung der Aktie zu spekulieren, ohne die tatsächliche Aktie kaufen zu müssen.

Wenn ich z.B glaube, dass der Aktienkurs von Siemens in den kommenden drei Monaten zulegen wird, kann ich mir einen Vertrag kaufen, der mir das Recht zusichert, die Siemens-Aktie im Laufe der nächsten drei Monate zum heutigen Preis von 100 € zu kaufen.

Sollte der Kurs bis dahin tatsächlich gestiegen sein, habe ich Geld verdient. Denn nun kann ich die 110 € teure Aktie für 100 € erwerben. Ist der Kurs jedoch gesunken, habe ich dementsprechend Geld verloren.

Wieso sollte man das machen wollen, wenn man die Aktie einfach kaufen und in seinem Depot halten kann?

Aus Gründen der “Kapitaleffizienz”.

Um beim Beispiel der Siemens-Aktie zu bleiben: Lass uns annehmen, dass die Aktie beim Erwerb des Vertrags wieder 100 € kostet. Nun möchte ich darauf spekulieren, dass sie in drei Monaten 110 € kosten wird. Würde ich die Aktie kaufen und in drei Monaten Recht behalten, wäre meine Kapitalrendite 10 %.

Spekuliere ich stattdessen jedoch mithilfe eines Derivats, muss ich anstatt der 100 € nur einen Bruchteil des Preises als sog. Margin bei meinem Broker hinterlegen. Sie dient als Sicherheit und soll sicherstellen, dass ich als Anleger in der Lage bin, potenzielle Verluste zu decken.

Nehmen wir an, das wären 30 € und mein Trade würde erneut aufgehen. Meine Kapitalrendite läge nun bei 33,3 %.

Über den Perpetuals Markt

Mit der Einführung der Perpetual Swaps, deren Handel rund 75% des Gesamtvolumens in Krypto ausmacht, hat BitMEX die Industrie maßgeblich geprägt. Wie funktionieren sie und wie sind sie entstanden?

Im Prinzip funktionieren Perpetual Swaps ähnlich zu anderen Derivaten wie bspw. den oben beschriebenen Futures-Kontrakten. Der entscheidende Unterschied ist jedoch, dass Perps kein Ablaufdatum besitzen.

Für die Trader ist es gut, weil ihnen mehr Flexibilität bietet. Für die Börse erschwert es das Risikomanagement.

Denn bei jedem Trade auf BitMEX stehen sich 2 Trader gegenüber. Wenn ich z.B eine Long-Position auf BTC habe, befindet sich auf der anderen Seite die Short-Position eines anderen Traders. Das bedeutet, dass mein Gewinn sein Verlust ist. Das Risiko für mich besteht nun darin, dass mein Gegenüber beim Abschluss des Trades nicht für diesen Gewinn aufkommen kann.

Ein Weg, dieses Risiko zu minimieren, wäre es z.B zu sagen, dass nur besonders kreditwürdige Trader Zugang zur Plattform erhalten - so wie im traditionellen Finanzsystem. Da der Ethos von “Permissionlessness” aber tief in der DNA von BitMEX verwurzelt ist, kamen unsere Gründer auf eine andere innovative Lösung.

Mithilfe von sog. Zwischensettlements, die zu Beginn alle 8 Stunden, mittlerweile aber alle 10 Minuten erfolgen, werden die Gewinne und Verluste aller Positionen auf der Börse beglichen. Dadurch wird das Risiko für “Zahlungsausfälle” minimiert und Trader können niemals mehr verlieren, als den Betrag, den sie an Kollateral-Kapital eingezahlt haben.

Dieses System funktioniert so gut, dass es von fast allen anderen Kryptobörsen adaptiert wurde, die den Handel von Perpetuals anbieten.

Im Laufe der letzten Jahre hat sich Binance zum absoluten Marktführer im Derivatehandel entwickelt. Wie erklärst du dir diese Entwicklung? Welche Strategie verfolgt BitMEX, um seinen Marktanteil zu behaupten?

Im Vergleich zu den restlichen Börsen adressiert BitMEX eine ganz andere Zielgruppe. Wohingegen wir uns auf die Bedürfnisse einer kleineren Nische konzentrieren, konnten unsere Wettbewerber mit einem Fokus auf Retailer und viele Altcoin-Listings einiges an Boden gut machen.

Außerdem bieten wir auch nur drei Margin-Assets an: BTC, ETH und USDT. Zwar besitzen wir u.a. die zweithöchste Bitcoin-Margin-Liquidität auf dem gesamten Markt, doch macht uns das gewissermaßen auch abhängig von der BTC-Dominanz. Das wurde vor allem dieses Jahr wieder deutlich.

Hinzu kommt, dass wir aus Gründen des Risikomanagements eher zögerlich mit der Einführung von USDT als Margin-Asset waren. Gut möglich, dass uns deshalb ein paar Kunden durch die Lappen gegangen sind.

Das ist aber unwesentlich, denn was unsere Strategie angeht, so wollen wir den besten Service für krypto-native Profitrader liefern - und diese Zielgruppe schätzt vor allem zwei Sachen: Performance und Sicherheit.

Für ersteres sorgt unsere niedrige Latency-Time, wodurch die Trades blitzschnell ausgeführt werden können. Um die Sicherheit zu garantieren, veröffentlichen wir zwei mal pro Woche unseren “Proof of Reserves & Liabilities” Report - so oft wie keine andere Börse.

Nun darf auch Coinbase ein Perpetuals Angebot für Retailer außerhalb der USA ausrollen. Ergeben sich durch den Markteintritt besondere Herausforderungen für BitMEX?

Was ihren Markteintritt angeht, sind wir relativ entspannt. Der gesamte Markt ist noch klein und langfristig groß genug für alle. Meiner Meinung nach sind wir also noch weit vom Sättigungseffekt entfernt.

Tatsächlich glaube ich aber, dass es für Coinbase nicht ganz so leicht sein wird, in dem hart umkämpften Markt um internationale Retailer Fuß zu fassen. Das haben auch Crypto.com und Gemini schon gezeigt, die beide Kryptoderivate anbieten, jedoch mit sehr geringen Marktanteilen kämpfen.

Wir haben es am eigenen Leibe erfahren, weshalb wir den Fokus zurück auf die Zielgruppe gelenkt haben, die wir am besten bedienen können - professionelle Trader.

Denn um neue Kunden von anderen Plattformen anzuziehen gibt es zwei Wege: Entweder geht man über die Senkung der Fees, die in unserer Branche sowieso schon ziemlich gering sind, oder man nutzt andere Hebel. Bei Coinbase sehe ich momentan aber noch keinen entscheidenden Vorteil.

Auf der einen Seite kann es zwar Nutzer geben, die gerne auf einer in den USA registrierten Börse handeln möchten. Andererseits könnte die prekäre regulatorische Lage in den USA und damit die Ungewissheit über die Sicherheit ihrer Funds (Stichwort Asset Freezing) einige Nutzer genauso gut abschrecken.

Prediction Marktes und DeFi

Kürzlich habt ihr euer Produktangebot durch die Einführung der Prediction Markets erweitert. Was hat es damit auf sich? Welche Opportunity seht ihr da?

Bei unseren neuen Prediction Markets handelt es sich um ein Produkt, bei dem die Nutzer Vorhersagen auf zukünftige Ereignisse abschließen können, wie bspw. auf den Ausgang des kommenden FOMC-Meetings.

Mit dem Offering wollten wir unsere doch recht ernste Produktpalette mit etwas mehr Spaß sowie einer neuen User Experience füllen. Man kann es sich so vorstellen, als würde man eine Bar im ersten Stock einer Bank aufmachen.

Darüber hinaus eröffnen die Prediction Markets für die Nutzer von BitMEX ganz neue Möglichkeiten.

Denn klassische Perps und Futures besitzen ein lineares Auszahlungsprofil. Das bedeutet, dass die Höhe der Payouts (Gewinne sowie Verluste) von genauen Preispunkten abhängen und deshalb auf lineare Weise zu- und abnehmen.

Bei Prediction Markets ist das Auszahlungsprofil aber binär: Liegt man richtig, gewinnt man proportional zu seinem Einsatz und der Größe des einzelnen Marktes. Liegt man dagegen falsch, verliert man einfach nur seinen Einsatz. Durch die Kombination beider Profile können unsere Nutzer künftig interessante Trading- und Hedging-Strategien entwickeln.

Derzeit wird der Derivatehandel von zentralisierten Börsen dominiert. Auf der anderen Seite nehmen DeFi-Protokolle wie bspw. dYdX weiter an Fahrt auf. Wie blickt ihr auf diese Entwicklung? Wird es für euch auch mal spannend sein, ein eigenes DeFi-Angebot aufzubauen?

Erstens, finden wir die Entwicklungen im DeFi-Space super. Wie gesagt, wir sind ein krypto-natives Unternehmen, weshalb Dezentralisierung eine große Rolle für uns spielt - auch wenn wir selber eine CEX sind.

Wir denken aber, dass dezentraler Derivatehandel für eine ganz andere Kundengruppe interessant ist - für spontane Retail Trader, die ein paar Futures pro Woche handeln zum Beispiel.

Unsere Kunden traden hunderte Male pro Tag und wollen sich nur auf das Handeln konzentrieren, nicht um das Setup ihrer MetaMask oder Cold-Wallet. Auch wenn etwas schiefläuft, wollen sie jemanden vom Customer Support erreichen, um das Problem schnellstmöglich zu beheben.

Was ein BitMEX DeFi-Angebot betrifft, so sind wir aufgrund der letzten zwei Jahre vorsichtig damit, zu viele neue Offerings anzubieten. Wir wissen, was unsere Kunden wollen und sehen, dass immer mehr Leute dazu kommen. Darum halten wir unser Angebot klar und einfach und konzentrieren uns auf die professionellen Trader. Das ist nicht der gesamte Markt, mitnichten. Aber bei uns ist es eine bewusste Entscheidung und deswegen fühlen wir uns gerade ziemlich wohl.

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